Tag 15: Atyrau – Kul’sary

Auch Kasachen lieben ihre Stadt.

Endlich wieder ausschlafen, nachdem unser Bus deutlich schneller als gedacht in Atyrau war. Das Team Shanghai hatte hingegen Pech und kam erst nach Mitternacht an. Erst um zehn Uhr geht es heute los mit einer kurzen Stadtrundfahrt durch Kasachstans Öl- und Gasmetropole, die sogar eine Universität für diese Themen hat. Wir allerdings wenden uns dem Museum zu, in dem die Schätze aus der jahrtausendealten Geschichte dieser Stadt liegen und natürlich auch prachtvolle Jurten zu sehen sind.

Zwischen Europa und  Asien: aus der Brücke über den Ural.

 

Dann geht es zurück nach Europa – zu Fuß. Wir sind nämlich schon bei der Ankunft in Atyrau über den Ural gefahren, der Europa von Asien trennt. Es dauert einige Zeit, bis alle Bilder im Kasten sind. Als wir wieder einsteigen, fehlt eine Mitfahrerin, wird aber schnell wieder gefunden.

Fröhliche Schulabgängerinnen in Atyrau

Nächstes Ziel ist der größte Platz der Stadt, der in der Tat riesig ist. Unter dem Denkmal der kasachischen Nationalhelden, denen Lenin weichen musste, stehen ein paar ausgelassene Schülerinnen. Sie freuen sich über ihre Schulnoten und den Beginn der Ferien. Die Menschen sind hier viel aufgeschlossener als in Russland, bleiben stehen und staunen über unser Reiseziel.
Nach einem sehr guten Mittagessen im Restaurant „Chablis“ starten wir um halb drei zu unserer Tagesetappe von knapp 230 Kilometern nach Kul’sary auf einer „schönen Autobahn“, wie unser Begleiter sagt. Jedenfalls kommen wir auf der zweispurigen Schnellstraße gut voran. Unterwegs fahren wir durch einige größere Ortschaften. Wenn es dort Bäume gibt, handelt es sich um Ulmen oder Pappeln.
Unterwegs hält uns wieder ein Polizeiposten auf, lässt uns aber nach vier Minuten weiterfahren. Schon um 18 Uhr erreichen wir unser Hotel – diesmal eine schlichtere Herberge, in der nicht einmal alle aus unserem Team Platz finden. Zwei müssen zum Team „Shanghai“ ins Quartier, vier in eine dritte Unterkunft. Wir werden mit einem leckeren Abendessen verwöhnt mit vielen Salaten vorweg. Wir beide machen noch einen kleinen Spaziergang durch die Umgebung. Gitta geht gleich ins Bett, während ich noch versuche, unseren Blog zumindest bis zum Vortag zu vervollständigen. Das Hochladen der Bilder dauert allerdings ewig. Um halb elf komme auch ich ins Bett. Morgen heißt es wieder früh aufstehen

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Tag 14: Waschbrett-Piste

Wieder einmal heißt es früh aufstehen. Aber die Ankündigung, dass wir erst nach Mitternacht unser Tagesziel erreichen werden, scheint uns doch ein wenig übertrieben. Schließlich liegen schon ganz andere Strecken hinter uns als die 357 Kilometer bis Atyrau. Gut, es geht über die Grenze von Russland nach Kasachstan, aber auch das kann ja wohl nicht länger als drei Stunden dauern.

Polizeikontrolle

Doch schon kurz vor neun – wir sind noch keine Stunde gefahren – stoppt uns ein Polizist. Sein freundliches „Guten Morgen“ auf deutsch ändert nichts daran, dass er uns 40 Minuten aufhält und erst nach Zahlung von 6000 Rubel (rund 100 Euro) fahren lässt.
An der Grenze läuft es dann unerwartet gut. Nur jeweils eine Stunde werden wir von Russen und Kasachen aufgehalten. Kurz darauf stoppt uns noch einmal für 10 Minuten ein Polizeiposten, aber dann haben wir freie Fahrt.
Doch jetzt kommt’s erst richtig dicke: Die kasachischen Highways sind zumindest in diesem Teil des neuntgrößten Landes der Erde in einem so erbärmlichen Zustand, dass jede Schlaglochpiste in Deutschland dagegen eine Schnellstraße ist. Wir fürchten, dass es unseren Bus zerreißt, aber bis auf ein paar Schrammen am Spoiler bleibt er unversehrt. Aber nach eineinhalb Stunden haben wir gerade einmal 25 Kilometer zurückgelegt. Das Tempo 70-Schild am Straßenrand hätte man sich sparen können.

Kasachsische Schnellstraße: Überholen wird zum Abenteuer.

Gegen drei Uhr ist mal wieder eine Pinkelpause angesagt, aber bei dem Zustand der Tankstellen-Toilette ziehen es die meisten vor, in die kaum vorhandenen Büsche zu gehen. Beim nächsten Mal halten wir gleich auf freier Strecke. Busfahrer Christian kann dabei gleich seine 15-Minuten-Pause einlegen und wir einen nahegelegenen muslimischen Friedhof fotografieren.

„Technischer Stop“ in der Steppe.

Jetzt geht es aber schneller voran. Um halb sieben Ortszeit (die Uhren wurden wieder eine Stunde vorgestellt) sind es nur noch 140 Kilometer. Unterwegs waren übrigens die ersten Kamele zu sehen, aber auch Pferde, Kühe und Schafherden.
Das Schlimmste liegt hinter uns. Christian hat wirklich alles gegeben, damit wir unser Ziel deutlich vor Mitternacht erreichen. Daran kann auch der Polizeiposten nichts ändern, der uns 25 Kilometer vor Atyrau noch einmal rauswinkt. Noch vor 22 Uhr Ortszeit sind wir am Ziel und bekommen noch ein leckeres Abendessen unter anderem mit Chicken-Leberkäse. kein Wunder, der Hotelchef ist Österreicher!
Unsere neue Expertin Birgit Brauer, die unter anderem 15 Jahre in Kasachstan gelebt hat und mit einem Kasachen verheiratet ist, hat in unserem Bus eine Menge über das Land und Zentralasien berichtet und wurde von uns auch noch beim Abendessen mit Fragen gelöchert, da sie an unserem Tisch saß. So wurde es dann doch wieder Mitternacht, bis wir unsere Mails gecheckt und unseren Blog zumindest bis Wolgograd ergänzen konnten. Es ist einfach zu viel geboten und bei der Rüttelei im Bus war Schreiben heute kaum drin.

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Tag 13: Astrachan und Wolgadelta

Unser Prachthotel in Astrachan

Der Wecker klingelt wie fast immer auf dieser Reise zu früh. Erstaunlicherweise macht es uns nichts aus, wir freuen uns einfach auf jeden Tag – zumindest bisher. Heute steht zunächst eine Stadtrundfahrt durch Astrachan auf dem Programm. Die Stadt ist ungeheuer grün und hat schöne Häuser, von denen aber viele sehr runtergekommen sind, vor allem die Holzhäuser. Kommentar unserer resoluten Führerin Irena: „Die Häuser sind sehr ungepflegt, – das ist doch Russland!“ Und dabei lacht sie herzlich. Astrachan war mal eine sehr reiche Stadt, hier lebten die Leute vom Handel mit Stör und Kaviar. „Astrachan war eine Stadt für Anfänger. Die Leute kamen hierher, waren arm und konnten reich werden.“

Es gibt hier ein großes neues Theater. Eigentlich sollte es zum Stadtjubiläum fertig sein. Als das nicht klappte, hat man das Stadtjubiläum ein bisschen verschoben. Half aber auch nichts. Heute ist es von außen fertig, aber nur eine von drei geplanten Bühnen kann bespielt werden. Irenas Kommentar: „Wozu braucht eine so kleine Stadt so ein großes Theater.“ Astrachan hat 700 000 Einwohner. Schöne Grüße nach Augsburg!

Bootsfahrt ins Wolgadelta

Nach einem Rundgang durch den Kreml von Astrachan geht es ins Wolgadelta. Das Mündungsgebiet des Flusses ist 200 Kilometer breit und 150 Kilometer lang. Wir fahren mit dem Bus tief ins Gebiet hinein, essen in einem Fischerlokal zu Mittag und steigen dann um auf flache Motorboote (Tante Nina würde sagen „Schinakel“). Sowohl die Boote wie auch die Schwimmwesten stammen offenbar aus alten russischen Militärbeständen. Der deutsche TÜV dürfte die nicht sehen. Drei Stunden lang cruisen wir durch die Wasserarme der Mündung, bis an die Grenze zum salzigen Wasser. Tolle Landschaft, viele Vögel, sogar Seeadler sehen wir.

Am Abend stellt sich die neue Expertin, die uns durch Zentralasien begleiten wird vor: Birgit Brauer. Sie hat 17 Jahre lang in Kirgisien und Kasachstan gelebt und unter anderem für das Handelsblatt und den Economist berichtet. Klingt vielversprechend!

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Tag 12: Wolgograd – Astrachan

Steppe, Steppe, Steppe…

„Abfahrt… Steppe… Steppe… Steppe… Fotostopp an der Wolga… Ankunft.“ So kurz und knackig könnte der heutige Blogbeitrag sein. Aber die Steppe hat es in sich. Schon dieses Gefühl für Weite, das sich einstellt, wenn man stundenlang durch menschenleere Landschaft fährt, ist grandios. Es hat uns ein bisschen an unsere Fahrt über den Atlantik mit der Queen Elizabeth erinnert. Und man bekommt eine Ahnung davon, wie groß dieses Russland ist.

Essen im „Ballsaal“

Ein Highlight war das Mittagessen in einem Ballsaal mitten in der kalmückischen Steppe mit kunstvoller Himmelsbemalung. Essen
Astrachan zeigte sich zunächst von der eher schäbigen Seite mit Gewerbegebieten und grauen Vorstadtwohnblocks. Aber als wir dann in der Abendsonne auf den Kreml zufuhren, kurz am Wolga-Ufer entlangschlenderten und beim Abendessen den Sonnenuntergang am anderen Flussufer bewunderten, waren trotz gewisser Engpässe bei den Biergläsern alle hoch zufrieden. Nur unser armer Busfahrer Ruven musste noch hart arbeiten und rückwärts durch eine eng zugeparkte Straße fahren, durch die ich nicht mal vorwärts mit meinem Fiat gefahren wäre. Aber er hat es bravurös gemeistert

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Tag 11: Erinnerung an Stalingrad

Wolgograd – die Stadt, die im Zweiten Weltkrieg unter dem Namen Stalingrad zu trauriger Berühmtheit gelangt ist: Hier ist die Schlacht immer noch allgegenwärtig. Um 10 Uhr steht eine Fahrt zur mächtigen Mutter-Heimat-Statue an, mit 85 Metern Höhe eine der größten der Welt. Allein das Schwert in ihrer Hand ist 33 Meter lang.

Wir allerdings müssen erst einmal unsere Besorgungen machen. Endlich gelingt es uns auch, in einer Bank 100 Dollar in Rubel zu tauschen. Und dann ab in das nahegelegene Einkaufscenter. Dort sind wir natürlich die Schau: Wir brauchen Fleece-Jacken und Schlafsäcke für die anstehende Übernachtung am Pass, einen  neuen Koffer,  ein weißes Hemd für Klaus und irgendwas Gutes für mich. Im Adidas-Shop gibt es zwar keine Fleece-Jacken, aber Sweatjacken für uns beide. Leider nur in winzigen Frauengrößen, ich muss eine Männerjacke nehmen. Das gesamte dreiköpfige Team kümmert sich rührend um uns und am Schluss wollen sie ein Foto mit uns machen. Wir natürlich auch mit ihnen. Schlafsäcke haben sie nicht, aber dank Übersetzugssoftware auf dem russischen Handy wissen sie irgendwann, was wir wollen und schreiben uns auf russisch einen langen Begriff auf. Nach Abstechern in einen Hemdenladen, zu Gerry Weber und in einen Supermarkt haben wir alles, was wir brauchen. Den Zettel zeige ich später an der Rezeption des Hotels den netten jungen Mädels, weil ich den Verdacht habe, dass da drauf steht „Die Besitzerin dieses Zettels ist eine hysterische Zicke.“ Sie reagieren aber nicht wirklich drauf.

Erinnerungsfoto mit den deutschen Kunden im Adidas-Shop.

Um halb eins liefern wir unsere erworbenen Schätze im Hotel ab und dann ab mit dem Taxi zu dem Hügel mit der Riesen-Statue, wo wir unser Team Hamburg gerade noch vor der Weiterfahrt zum Mittagessen erreichen. Der Taxifahrer verlangt nur 400 Rubel – keine sieben Euro – für eine gut 20 Minuten dauernde Fahrt. Leider hat es wieder zu regnen begonnen, der aber nach dem Mittagessen allmählich wieder nachlässt.

Weiter geht es ans Wolgaufer, wo erbittert um einzelne Straßen und Häuser gekämpft wurde. Ein paar Ruinen und vielerlei Kriegsgerät erinnern daran. Am beeindruckendsten aber ist das Museum mit einem gigantischen Panorama – 60 Meter hoch und 120 Meter im Umfang. Im Vordergrund eine sehr realistisch modellierte Landschaft mit Schützengräben, Originalfundstücken und Gerät zeigt den Wahnsinn des Krieges. Die Modelllandschaft geht kaum erkennbar in den gemalten Hintergrund über. Dazu gibt unsere russische Führerin, die recht gut deutsch spricht, fundierte Erläuterungen.

In einem gigantischen Panorama ist die Schlacht um Stalingrad sehr realistisch dargestellt.

Am Abend ist dann ein feierliches Essen mit Gästen angesagt. Dann beschreibt Michael Thumann, wie es um den Zusammenhalt Russlands und der verbundenen Republiken bestellt ist. Er schildert nachvollziehbar, wie schwierig es ist, diese Staaten mit ihren vielen Ethnien – allein in Russland mehr als 100 – zusammenzuhalten. Und auch auf unsere Fragen weiß er wieder fundierte Antworten. Schade, dass er uns morgen verlässt.

Beeindruckt sind wir auch von zwei jungen Frauen. Rita, Russin, 23, spricht hervorragend deutsch, obwohl sie erst an der Universität damit angefangen hat. Sie war allerdings auch schon ein halbes Jahr in Berlin und berichtet, dass die Unterschiede zwischen jungen Russen und Deutschen gar nicht so groß sind. Paula macht ein frewilliges soziales Jahr in der Kirchengemeinde der Herrnhuter Bruderschaft in Wolgograd. Die Herrnhuter hatten im 18. Jahrhundert dort eine deutsche Siedlung gegründet. Die Gemeinde besteht heute noch und Paula hilft dort unter anderem, indem sie den deutschen Text in den Gottesdiensten vorliest.

Ein gelungener Abend, der noch durch eine zufällige Begegnung mit einer kleinen Gruppe von Armeniern in der Hotelbar abgerundet wird. Sie feiern eine Geburtstag und geben unserer sechsköpfigen Runde armenischen Cognac aus. Es wird doch wieder spät, bis wir ins Bett kommen.

 

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Tag 10: Weiter nach Wolgograd

Jetzt wird’s mal kurz hymnisch: Weil 2016 die Reise im Hamburger Hotel „Atlantic“ startete, wo ja bekanntlich Udo Lindenberg wohnt, wurde sein Lied „Hinterm Horizont geht’s weiter“ zur Hymne der Reise erklärt. Eigentlich sollte sie mindestens einmal täglich gesungen werden. Wir sind ja mit zwei Bussen unterwegs, Team Hamburg (das sind wir) und Team Shanghai. Im anderen Bus ist der Reiseleiter eher der Typ Animateur, da wird fleißig geübt. Unser Reiseleiter hat Geografie studiert und hält uns über Feldspat, Quarz und Glimmer auf dem Laufenden – Entertainment ist nicht so sein Ding. Was den Chefbusfahrer, der immer zwischen den Fahrzeugen wechselt, zu der Bemerkung veranlasst, in unserem Bus müsse viel mehr Schnaps getrunken werden. Bei uns sei ja nur Wasser im Kühlschrank – das habe im anderen Bus gar keinen Platz mehr. Zur Abschlussveranstaltung in Shanghai werden die anderen schmettern, während wir gnadenlos untergehen.
Okay, nun zur Route: Wir sind in Woronesch, einer Millionenstadt im Süden Russlands, aufgebrochen und fahren Richtung Wolgograd (früher Stalingrad). 580 Kilometer liegen heute vor uns. Bei den Busfahrten bekommt man zumindest eine Ahnung davon, wie riesig dieses Land ist. Es geht kilometerweit durch unbewohnte, weite Landschaften mit viel Birkenwald und riesigen Ackerflächen.
Heute sitzt Michael Thumann bei uns im Bus, außenpolitischer Reporter der Zeit, der lange Korrespondent in Moskau war und viel in vertraulichen Gesprächsrunden sitzt. Er vermittelt uns heute vormittag ein sehr anschauliches Bild davon, wie Putin tickt. Man lernt so unwahrscheinlich viel auf dieser Reise und da sitzen wirklich Experten neben dir, die kannst du einfach fragen, wie das so läuft in diesen Ländern, was die Miete kostet, wer hier reich wird und warum… Es ist echt spannend, wenn man sich dafür interessiert. Wir genießen das beide sehr.

Unser Restaurant im Wald

Mittagessen wieder typisch russisch und reichlich in einem Restaurant am Rand der Schnellstraße. Die Toiletten sind sehr gewöhnungsbedürftig, und der Ausflug ins Gebüsch endet mit einer dicken Lehmschicht unter den Schuhen. Doch das ist ein kleines Problem im Vergleich zu dem, was uns später an einer Kontrollstation der Polizei erwartet. Nur 25 Kilometer vor wolgograd werden wir dort um 19 Uhr gestoppt. Perfekt, denken wir, denn unser heutiger Busfahrer Markus muss ohnehin eine halbe Stunde pausieren.

Die Pause dauert allerdings bis 22 Uhr, weil ein Kontrolleur der Transportbehörde in einem der vielen Dokumente eine Zahl vermisst und auch nicht zuässt, dass der Chef der Busfirma die Zahl einträgt. Er verlangt ein neues Dokument aus Deutschland, dessen Ausstellung normalerweise Monate dauert. So lange soll der Bus dort stehen bleiben und der Busfahrer außerdem 6000 Euro Strafe zahlen. Unsere Begleiter setzen alle Hebel in Bewegung, Deutsche Botschaft und den Bürgermeister der Millionenstadt Wolgograd. Schlielich erscheint der Regionalchef der Transportbehörde vor Ort, scheißt seinen Mitarbeiter zusammen und läßt die Zahl nachtragen, Damit das Gesicht gewahrt wird, sind 1600 Euro Strafe fällig und Busfahrer Markus gilt in Russland als vorbestraft. Erst kurz vor Mitternacht sind wir im Hotel, denn in der Stadt herrscht am Freitagabend dicker Verkehr. Der andere Bus war deutlich vor uns da. Von uns vorgewarnt wurde die fehlende Zahl eingetragen und die Kontrolleure hatten keine Beanstandung.

Als wir endlich Wolgograd erreichen, fängt es auch noch an zu regnen.

Dass unser Koffer nicht mehr aufgetaucht ist, wirkt dagegen eher nebensächlich. Das wird uns morgen ein ganz neues Shoppinggefühl vermitteln, wenn wir, statt zur Statue von Mutter Heimat zu fahren, ein Kaufhaus suchen, um uns mit ein paar wichtigen Sachen einzudecken. Klaus kramt sein rudimentäres Russisch raus und dann schauen wir mal, was wir mit heimbringen. In dem Koffer waren auch unsere guten Klamotten für die feierlichen Empfänge. Man hat uns aber zugesagt, wir können auch so kommen, wie wir sind, man steckt uns dann in die dunkelste Ecke. Da müssen wir dann nicht mit aufs Foto, das hat was.

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Tag 9: Orjol – Woronesch

Heute ist Ausschlafen angesagt, denn die Busfahrer brauchen mindestens neun Stunden Ruhezeit. Ihr persönlicher Chip hält alles genau fest. Deshalb fahren wir erst um 10:40 Uhr los und der andere Bus folgt entsprechend später. Weil er weiter weg parkt, können wir immer noch nicht schauen, ob unser Koffer in seinem Bauch steckt. Es bleibt also spannend bis zum Abend.

Blick auf Orjol

Auch der Versuch, an Rubel zu kommen, misslingt. Der Automat im Hotel geht angeblich nicht, und an der Rezeption will man weder Euro noch Dollar wechseln. Beim Stop zum Mittagessen versuche ich es an einem Bankautomaten, doch der spricht nur russisch, und bevor der das Konto leer räumt, lasse ich die EC-Karte lieber wieder auswerfen. Von Mitreisenden leihen wir uns 1000 Rubel und wechseln später bei den russischen Begleitern weitere 1100 Rubel ein. Die gehen aber schon für das Bier beim Abendessen drauf, weil wir großzügig unseren Reiseleiter Wolfgang und den Experten Michael Thumann einladen. Vier Euro für eine Halbe Bier sind allerdings für hiesige Verhältnisse ein stolzer Preis.

Coca-Cola hat auch Russland erobert

Doch zurück zur Tagesetappe, die nur rund 340 Kilometer beträgt. Am Stadtrand passieren wir einen großen Coca-Cola-Abfüllbetrieb, einer von zweien in ganz Russland. Unterwegs fahren wir an riesigen Feldern mit äußerst fruchtbarer Schwarzerde entlang. Hier befindet sich die „Kornkammer“ Russlands. Beim Tankstopp kurz nach zwölf können wir eine museumsreife Zapfsäule bewundern. Aber es kommt tatsächlich Diesel raus für 60 Cent der Liter. Unser Bus fährt problemlos weiter.

Russischer Zapfhahn

Mittagessen von zwei bis drei in einem Restaurant im Wald. Typisch russisches Menü: Vorweg Borscht, mit Zwiebeln und Sauerrahm überbackenes Schnitzel, dazu Kartoffelpüree und als Dessert Quarkpfannkuchen.
Um halb sechs haben wir unser Hotel in Woronesch erreicht und machen nach dem Einchecken einen kurzen Spaziergang über den nahegelegenen Boulevard. Der Versuch, an einem Kiosk zwei Bananen zu kaufen, misslingt, weil die Verkäuferin den 1000-Rubelschein (etwa 17 Euro) nicht wechseln kann.

Reiseleiter Wolfgang Pohl

Als wir zurück sind, können wir endlich im zweiten Bus nach unserem Koffer suchen – ohne Erfolg. Womöglich ist er schon in Warschau geblieben, wo die Koffer kurze Zeit vor dem Verladen stehen mussten. Unser Reiseleiter will in den kommenden Tagen in den Hotels der vergangenen drei Etappen  fahnden. Aber selbst wenn der Koffer gefunden wird, müssen wir ihn für die weitere Reise abschreiben. Auf der Rückfahrt wird ihn unser Bus dann mit nach Hamburg nehmen.
Auf vieles im Koffer können wir notfalls verzichten und müssen jetzt nur häufiger waschen (lassen). Doch warme Sachen für die Gebirgsregion und ein paar andere Dinge werden wir in Wolgograd oder Astrachan wohl kaufen müssen. Aufregen bringt aber nichts. Wir bleiben entspannt und genießen erst einmal das Abendessen. Morgen sehen wir weiter.
Rund 2700 Kilometer liegen mittlerweile hinter uns. Das ist etwa ein Fünftel unserer knapp 14000 Kilometer langen Reise.

Wolkenhimmel über Russland

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Tag 8: Homel – Orjol

Leute, die Reise ist echt DER HAMMER! Weil man mit langwierigen Grenzformalitäten rechnet, ist frühes Abfahren angesagt: Frühstück um 6 Uhr – keine gute Zeit für Rentner! Da die Erklärungen unseres russischen Führers Wladimir sehr sparsam sind, kommt eine neue Führerin an Bord: Katja. Zusammen mit den beiden russischen Führern und den diversen Aufpassern samt Supervisorin sind es jetzt sechs Leute für unsere zwei Busse. Erst mal berichtet sie, dass in Weißrussland alles „sehr schön, sehr gut“ ist, taut dann aber allmählich auf und erzählt ein bisschen mehr. Sie ist Lehrerin für Deutsch an einer Schule, verdient im Monat rund 380 Euro, die Hälfte davon geht für die Miete drauf, für eine 20 Quadratmeter-Wohnung mit einer Sanitäreinheit (Dusche und eine Toilette) für 15 Wohneinheiten. Da wohnt sie mit Mann und Kind. Der Mann, ein Ingenieur, versucht sich als Steinmetz mit eher kargem Einkommen.
Der weißrussische Präsident ist „sehr gut, sehr tolerant“, sagt Katja, aber als es im März landesweite Demos gegen die „Schmarotzersteuer“ für Arbeitslose gab, mussten an ihrer Schule alle Lehrer am Samstag außerplanmäßigen Unterricht halten, damit sie nicht mitdemonstrieren konnten.

Verbotener Schnappschuss an der russischen Grenze.

Um 8 Uhr erreichen wir die erste Grenze: Von Weißrussland in die Ukraine (leider dürfen wir nicht direkt nach Russland sondern müssen den Umweg über die Ukraine nehmen). Um 9.30 Uhr ist die Ausreise erledigt und die Einreise in die Ukraine kann beginnen. Um 11.55 Uhr öffnet sich dann endlich die Schranke. Blödes Gefühl: Die Gegend zählt zu den am heftigsten von Tschernobyl verstrahlten Gebieten und die Grenze ist nur etwa 50 bis 100 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Und in der „Zeit“ von der Vorwoche war ein großer Bericht darüber, dass in Weißrussland die Strahlung schon gar nicht mehr gemessen wird. Zum Mittagessen gab es Pilzsuppe – die Pilze mussten offenbar weg.

Rund 50 Kilometer geht es durch die Ukraine und dann beginnt das Grenzspiel von Neuem: Um 15 Uhr stehen wir mitten im Wald vor der russischen Grenze. Und wieder ist Warten angesagt. Es heißt, ein Drogenhund kommt durch, wir sollen sitzen bleiben und den Hund auf keinen Fall streicheln (die Gefahr ist bei mir ohnehin gering). Wir rechnen mit einem Schäferhund – aber es kommt ein kleiner, etwas räudiger Cockerspaniel. Zwei Stunden später haben wir die ukrainische Ausreisekomtrolle überstanden und die nächsten 200 Meter zur russischen Grenzstation überwunden. Raus aus dem Bus (mit dem kompletten Gepäck!) durch Grenze und Zoll. Doch wo ist unser zweiter Koffer? In Warschau war er noch da. Doch für den täglichen Bedarf hatten wir danach nur unsere Reisetasche benutzt. Vielleicht ist er versehentlich im zweiten Bus gelandet. Doch an den kommen wir in der Grenzstation nicht ran.

Und dann heißt es… richtig: warten. Erst um 20 Uhr geht die letzte Schranke auf und die Fahrt des Tages beginnt, gut 400 Kilometer. Um halb zwei Uhr nachts sind wir dann im Hotel. insgesamt neun Stunden Wartezeit an den Grenzen, aber die Stimmung blieb immer gut. Abends mussten wir uns dann leider von Sascha verabschieden, der ein unglaublich interessanter Gesprächspartner war, egal ob bei offiziellen Anlässen oder in den Pinkelpausen zwischendurch.

Doch was ist mit unserem Koffer? Der andere Bus durfte noch eineinhalb Stunden länger an der Grenze stehen und kam erst um drei zum Hotel im russischen Orjol. Da schlafen wir längst und hoffen auf den Morgen.

Unser erstes Hotel in Russland haben wir mitten in der Nacht erreicht.

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Tag 7: Brest – Homel

Es gibt nicht nur Plattenbauten in Brest.

Beim Auschecken im Hotel wird die Kreditkarte nicht akzeptiert, aber Gottseidank die EC-Karte. Erst später fällt mir ein, dass ich die Karte für Länder außerhalb der EU hätte freischalten müssen. Am Abend ließ sich das online ändern. Doch bis dahin hatten wir noch einen langen Weg vor uns.

Der Sozialismus hat seine Spuren hinterlassen.

Zunächst ging es zur Festung der Grenzstadt Brest am Fluß Bug. Die alten Gemäuer sind durch riesige Skulpturen zum Ruhme des Sozialismus „verschönert“ worden. Zur Wachablösung um 10 Uhr kommt eine gemischte Truppe im Stechschritt anmarschiert. Ein merkwürdiger Anblick: Die Frauen haben weiße Tüllschleifen in ihre Zöpfe gebunden.

Typischer Friedhof in Weißrussland

Gegen halb elf geht’s weiter nach Homel im Osten Weißrusslands – mehr als 500 Kilometer liegen vor uns. Zum Teil geht es über autobahnähnliche Straßen, aber der größte Teil der Strecke ist nur zweispurig und über viele Kilometer holprig wie einst die Autobahn um Bremen. Eine ziemlich ebene Landschaft begleitet uns. Links und rechts immer wieder bescheidene Siedlungen, große Felder und dann scheinbar endlose Wälder in kräftigem Grün – die jahrelange Strahlenbelastung aus dem nahen Tschernobyl hat zumindest den Bäumen offenbar nicht geschadet.

Rast in der Stadt Pinsk: Hier gab es Mittagessen.

Mittagessen auf halber Strecke in der Stadt Pinsk. Was immer wieder auffällt in den weißrussischen Städten: Im Schatten mehrstöckiger Plattenbauten und modernerer Hochhäuser stehen die herkömmlichen Holzhäuser.
Erst kurz nach acht kommen wir im Hotel „Tourist“ in Homel an. Hier begrüßt uns der ganze Charme des Sozialismus. Alles ist schon in die Jahre gekommen, aber die Zimmer sind Suiten mit Wohn- und Schlafraum und großem Bad. Bis wir eingecheckt und gegessen haben, ist es aber schon halb zehn. Noch schnell Mails gecheckt und den Bericht im Vortag fertiggeschrieben und hochgeladen (es gibt kostenloses WLAN) und dann ins Bett, denn morgen heißt es, um sechs Uhr frühstücken und um sieben Uhr abfahren

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Tag 6: Auf nach Weißrussland

Ein langer Tag liegt hinter uns, auch wenn nur gut 200 Kilometer zu fahren waren. Doch die Grenzkontrollen haben es in sich. Polen zu verlassen dauerte schon eine halbe Stunde, weil der Beamte jeden Pass geprüft hat. Die weißrussischen Grenzer brauchten dann noch mal drei Stunden, bis alles gecheckt und auch die Suche nach „blinden“ Passagieren abgeschlossen war.

In Warschau war der Himmel noch bedeckt, doch schon bald schien wieder die Sonne. Zwischen Feldern und an kleinen und größeren Orten vorbei ging es immer weiter in den Osten Polens. An den Häusern sieht man, dass die Menschen hier nicht mit Reichtümern gesegnet sind – von Ausnahmen abgesehen und den entsprechend protzigen „Hütten“.

Unser Experte Alexander „Sascha“ Sambuk begleitete heute wieder unser Team „Hamburg“ und versorgte uns mit weiteren Informationen zu Weißrussland (Belarus). Von ihm hatten wir schon zuvor erfahren, wie Vollbeschäftigung dort aussieht: Saubere Straßen werden immer wieder aufs Neue gefegt.

Brest (in Deutschland lange Brest-Litowsk genannt) hat nicht viel mehr Einwohner als Augsburg und hat auch einen Bahnpark, wie wir im Vorbeifahren gesehen haben. Alte Gebäude gibt es kaum – bis auf eine Festung, die wir uns morgen anschauen.

Unser Hotel in der Grenzstadt Brest ist endlich nicht einer der austauschbaren Glaskästen, sondern glänzt mit dem Charme vergangener Zeiten, aber doch mit hoher Qualität und gutem Essen. Trotz der langen Anreise bleibt noch ein wenig Zeit, den Gitta und ich zu einem kurzen Gang in die Stadt bis zur „Straße der Sowjets“ nutzen. Gottseidank ist der Stadtplan übersichtlich, sonst wäre die Orientierung angesichts der kyrillischen Buchstaben schwierig.

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